Measure for Measure

Liebe Players,

vielen Dank für die (einmal mehr) großartige Aufführung!
Wir waren wie jedes Jahr beeindruckt von der Qualität der Schauspieler, der intelligenten Inszenierung, der Musik, dem Bühnenbild... von allem! Toll, wie es euch jedes Jahr neben der stressigen, alltäglichen Schularbeit gelingt, etwas ganz Besonderes auf die Bühne zu bringen - nicht nur für erklärte Shakespeare-Fans.

Mein Kollege und ich waren uns einig, dass die Players wirklich keinen Vergleich mit der Globe-Aufführung in London scheuen müssen. Es war natürlich anders, aber zum Beispiel fanden wir euer Schlussbild wesentlich gelungener und auch sonst mochten wir eure vielen originellen Einfälle.

Wir freuen uns schon auf die nächste - und hoffentlich nicht letzte (Titel!?) - Inszenierung.

Für euch alle wunderschöne und erholsame Ferien!

Mit lieben Grüßen im Namen der Shakespeare-Players-begeisterten Schüler und Lehrer des Abendgymnasiums Prenzlauer Berg

 

Sylvia Bischoff

Dear Shakespearians,
eigentlich hatte ich ja vor, diesmal nicht zu schreiben, um mich nicht zu wiederholen, aber nun sitze ich hier mit dem witzigen Bordell-Song in der Hand und reflektiere noch einmal diese grandiose Leistung, nachdem ich schon von Anfang an der Bewunderung darüber voll war, dass Sie sich an ein problem play herangemacht haben. Wie Recht Sie hatten, denn natürlich hatten die jungen Leute an den Bordell- und Gefängnis-Szenen ihre helle Freude; und das Ende haben Sie ja auch genial gelöst und Isabella

- szenisch toll einfach durch Tafeln verdeutlicht -

im problematisierenden Zweifel gelassen, während man sonst die vier ungleichen Paare munter nebeneinander stehen lässt. Überhaupt fiel diesmal besonders auf, wieviel Mühe und Überlegung im Detail steckten.
Meine zusätzliche persönliche Freude bestand darin, neben dem großen Mitstreiter, Theo-Bauer (der arg strapazierte Tisch 'Theodor' [der hält!] wurde von Peter Baasner unzerstörbar geschraubt) und song writer sitzen zu dürfen, der überdies nur ganze zweimal einhelfen musste. Meine Güte, welch sprachliche Leistung die jungen Leute bringen müssen - noch dazu etliche, die gerade mit Abi beschäftigt waren! Also wieder nur aus allertiefstem Herzen ein DANKE - DANKE - DANKE!!!
Dreimal dürfen Sie raten, wer sich auf 'All's Well...'
freut!


Hildegard Vollmer

Vielen Dank für eine weitere wunderbare Aufführung, die wie immer mit sehr viel Leidenschaft und Engagement aller Beteiligten dargeboten wurde. Wir haben allerhöchsten Respekt vor Ihrer Arbeit und finden es bewundernswert, was Sie jedes Jahr auf die Beine stellen.
Wir haben nach der Aufführung beschlossen, es nun zu einer Tradition werden zu lassen, dass wir uns jedes Jahr die Aufführung mit interessierten SuS unserer Kurse anschauen.
Wir wünschen Ihnen weiterhin viele kreative Ideen und die Kraft und Ausdauer diese Einfälle umzusetzen.
 
Katrin Goede
Immanuel-Kant-Schule

It was the most fun I had in weeks ...
Thank you :)

 

Tim H.

Es war gestern Abend wieder eine große Freude, den vielen jungen Menschen zuzusehen und zuzuhören, wie sie das schwierige Shakespeare-Englisch flüssig heraussprudeln! Welche Zusammengehörigkeit und Ausgelassenheit der Gruppe am Ende! Ein langes Stück mit viel Text und Wechseln – Respekt!!

Besonders hat mir die Bordell-Choreo gefallen und die Gefängniskulisse/Gitter – super gelöst. Der Kreisstampfer der Gefangenen – klasse. Auch die Protestläufer quer durch die Aula.

Köstlich Pompey! Er hatte so viel Witz und Körpergewandtheit – herrlich anzusehen!

Der Gesang der beiden Solisten – zauberhaft. Und die uns inzwischen wohlbekannte Maria nun als Mistress – köstlich!

Dankeschön für den tollen Abend – ihr konkurriert mit dem Globe, denn da läuft auch derzeit Measure!

 

Christine Jula

As always, we greatly enjoyed Shakespeare at the FEO, in particular the way "demotic" fun was combined with Shakespearean profundity, which, I am sure, would have delighted the Bard himself. When we talked about the performance afterwards, we all agreed that there were numerous occasions during the performance that made us think, "I must remember that. It's so true, relevant to today etc." In the light of events in the Middle East, Somalia and Afghanistan, the play has taken on an uncanny topicality.
 

John Wilkinson

Sie sind wieder weit über alles Mass des zu Erwartenden hinausgeschossen! Herzlichen Glückwunsch, auch an Ihren - ganz gelegentlich auch sehr gefragten - Mann!
An einem merkte ich allerdings doch, dass ich alt geworden bin und noch stärker an der Convenance klebe: als ich nämlich nach Hause kam, warf ich den Bonbon - wie ich dachte -, den mir einer der hoffentlich gewerkschaftlich organisierten "Arbeiter" in Mistress Overdones "house" in die Hand gedrückt hatte, achtlos auf meinen Schreibtisch. Am nächsten Tag wurde ich von meiner Putzfrau streng-bis-schockiert zur Ordnung gerufen wegen meines verrufenen Lebenswandels, und ich hatte große Mühe, die Schuld auf Shakespeare... na ja doch ein bißchen auch auf Sie zu schieben, bin bis heute nicht ganz sicher, ob sie mir geglaubt hat! (Es war ein Produkt der Firma Billy Boy.)
Trotzdem: ich sehe Ihrem nächsten Coup mit großer Spannung entgegen, auch weil ich gar nicht gefragt habe, wer's denn diesmal werden wird. Erholen Sie sich gut, denn - Sie wissen ja - bald, in ein paar Wochen geht es wieder 'ran an die nächste Scheibe vom Leibe des Sir William.

 

Klaus Peter Steiger

Wieder haben Sie es geschafft, den alten und doch ewig jungen Shakespeare in die moderne Zeit zu transportieren. Auch Ihr Mann verdient einige Blätter aus Ihrem Lorbeerkranz. Als Language Coach der jungen Akteure und als kreativer Gestalter der Lyrik zum  musikalischen Programm wäre er für das Gelingen all Ihrer anspruchsvollen Projekte wohl unentbehrlich.

Es ist Ihnen erneut gelungen, ein diesmal besonders sperriges Shakespeare-Stück, das im Hinblick auf Sexualmoral antiquiert erscheint, durch Ihre jungen Schauspieler zum Leben zu erwecken und zu aktualisieren.
Ein kluger Regie-Einfall ist die ironische Umrahmung der Handlung, wodurch die absurden sexuellen Intrigen und Verwechslungsspiele satirisch verfremdet werden: Man soll das ganze Geschehen nicht so ernst nehmen. Dies bewirkt ein durch die Regie erfundener Touristen-Guide, der die Zuschauer zu einer Besichtigung aller wichtigen  Wiener Sehenswürdigkeiten - vom Prater bis zum Johann-Strauß-Denkmal – einlädt, wobei er die dazu passenden Melodien von seinem I-Pod abruft und sich dazu rhythmisch bewegt. Diese Rolle des Guides namens Zenzi Schanzengruber wird von Mareike Froitzheim sowohl sprachlich als auch pantomimisch und tänzerisch temperamentvoll umgesetzt. Sie parodiert dabei auch effektvoll eine solchen Reiseführern oft eigene selbstherrliche Penetranz, mit der sie auf ihre Unentbehrlichkeit für den pannenfreien Ablauf und für den  Reisegenuss pochen.
Obwohl die Verlotterung der Sitten in Wien zunächst thematisch im Vordergrund steht und mit Tänzen der attraktiven Bordell-Mädchen illustriert wird, ist doch  das Hauptthema das Dramas durchaus aktuell, weil es sich mit dem zeitlos gültigen Problem des Machtmissbrauchs und der nie zu lösenden Frage nach einem gerechten Staatswesen befasst und auch mit der Frage, wieviel Toleranz und Nachsicht ein Herrscher ausüben darf und wieviel gesetzliche Strenge nötig ist, um die Gesellschaft vor dem Chaos zu bewahren.

Tarik Moeller verkörpert den Herzog Vincentio überzeugend, nicht nur durch seine großgewachsene Erscheinung, sondern auch durch seine verhaltene Art zu sprechen. Man nimmt es ihm ab, dass er lieber Gnade übt, als Strenge walten zu lassen. Damit, dass er seinen Stellvertreter Angelo, dem er vertraut, als Kopf der Exekutive einsetzt, um selbst auf eine vorgetäuschte Reise zu gehen, testet er sowohl dessen Loyalität als auch sein eigenes Konzept der herrscherlichen Gewaltausübung. Auch in der Gestalt des Friars Lodowick bleibt Tarik Moeller eine Autorität und ein Vorbild, wenn auch ein geistliches bzw. moralisches. Er lernt in der Verkleidung alle Akteure in diesem Spiel und deren Motive kennen, weil sie ihn als einen der ihren - ohne Macht und Einfluss - verstehen und sich ihm daher unverstellt zeigen, wie sie sind. Womit Shakespeare demonstrativ seine Vorstellung von einer guten, verantwortungsvollen Machtausübung  verdeutlicht: Nur derjenige ist ein guter Herrscher, der es schafft, sich in die Schuhe seiner Untertanen zu stellen. Er ist ein gelassener Zuhörer, nur hin und wieder ballt er die Fäuste, wenn ihn die Empörung über allzu krasse Verfehlungen seines Stellvertreters überkommt. Dass es Tarik Moeller bei seiner langen Doppel-Rolle manchmal an deutlicher Artikulation fehlen ließ, tut seiner Leistung keinen Abbruch. Allein durch seine Größe und sein Sosein strahlte er Nachdenklichkeit und zugleich Autorität aus.

Der Protagonist und Gegenspieler von Duke Vincentio, der teuflische Angelo, ist ebenfalls eine überzeugende und schauspielerisch eine der stärksten Besetzungen. Das wichtigste Instrument eines Schauspieler, die Stimme, steht ihm voll zur Verfügung. Man versteht jedes Wort, und schon bei seinem ersten Auftritt zeigt er die sogenannte presence (Bühnenpräsenz): Hier steht einer, der voller Aggression, ja Menschenhass, steckt und es nicht erwarten kann, alle Übeltäter in den Kerker werfen zu lassen oder gleich dem Henker zu überantworten. Er ändert sofort das Gesetz, um seinen grausamen Radius zu vergrößern: Der Bordellbesitzer soll so hart bestraft werden wie ein Mörder, nämlich mit dem Tod, und seine Minister und Gehilfen müssen ihm willfährig sein. Angelo verkörpert den Typ des Diktators, der bestehende Gesetze abschafft, die seine Macht einschränken, ein durchaus aktuelles Phänomen. Nikolas Friedrich identifiziert sich sowohl sprachlich als auch in jeder seiner Bewegungen mit dieser Rolle.
Auch sein Adlatus, Lucio als intrigante, verlogene Hofschranze wird von Lucca Riedmayer sowohl sprachlich als auch pantomimisch tadellos in Szene gesetzt.
Die Besetzung des Provost mit einer Schülerin - Jenny Böttcher - erwies sich als vorteilhaft, weil diese die eher weibliche Kunst des Vermittelns und Entschärfens kritischer Situationen im Umgang mit einem Diktator  glaubhaft umsetzen konnte.
Das zum Tode verurteilte Paar, Claudio und  seine schwangere Braut, erregte Mitleid, weil beide die unschuldsvoll Verliebten überzeugend verkörperten, auch ohne Worte die liebliche, kindlich wirkende Braut.

Zuletzt ein Wort zu Isabella, der dritten Protagonistin. Die Regie hat Erfahrung mit der Konstellation derjenigen Figuren, die im Mittelpunkt des Konfliktes stehen und sich im ständigen dramatischen Dialog befinden. Die drei Hauptakteure Vincentio, Angelo und Isabella sind geschickt konfiguriert - in ihrer Gegensätzlichkeit ebenso wie in ihrer Übereinstimmung. Isabella steht zwischen den beiden Antagonisten, vertritt aber als angehende Nonne, da sie auf weltliche Bedürfnisse, Macht und Besitz,  verzichten will, das reine moralische Prinzip. Eine gerechte Regierung kann aber auf solche Prinzipien nicht verzichten, so dass der Herzog und die Nonne in spe durch gemeinsame Grundsätze verbunden sind. Die Regie hat die beiden daher von ihrer äußeren Erscheinung her klug aufeinander abgestimmt. Auch Isabella ist groß gewachsen, eine eher frauliche als mädchenhafte Erscheinung. Ebenso wie der Herzog beherrscht sie die Bühne, wenn sie auftritt, majestätisch, mit markanter Nase, das volle, dunkle Haar streng  zurückgekämmt. In ihrem schneeweißen, hochgeschlossenen Duchesse-Kleid, das ihre wohlgeformte Figur betont, strahlt sie einerseits royale Schönheit aus, aber auch klösterliche Distanz, betont durch eine Kette mit einem großen, mit Brillanten besetzten Kreuz (ein Kompliment an die Kostümbildnerin). Man fühlt sich an die priesterliche Iphigenie erinnert, wie Arnold Böcklin sie in seinem berühmten Porträt verewigte („das Land der  Griechen mit der Seele suchend“), die sich ebenso wie Isabella bei dem Herrscher für die Befreiung der Gefangenen einsetzt. Silan Dönderalp beherrschte den Text, aber auch die eingeübten Bewegungsabläufe perfekt und fiel niemals nur ansatzweise aus der Rolle. Auch hat sie eine tragende Stimme und artikulierte deutlich. Zwar zwang ihr die Rolle der flehenden Bittstellerin stellenweise ein einförmiges Lamento auf, aber in der letzten Szene konnte sie einen genialen Schlussakzent setzen: Der zurückgekehrte Herzog stellt die von Angelo bedrohte Ordnung in seinem Herzogtum wieder her, er lässt bei allen Gnade walten, zwingt aber den heuchlerischen Lucio gegen dessen Willen zur Ehe mit einer von ihm „geschändeten“ Frau aus dem Bordell. Alle gehorchen dem Herzog, sogar Angelo bereut: Nur die selbstbewusste Isabella  beantwortet den Heiratsantrag von Vicentio mit einem Seufzer, der alles offen lässt. Ein kluger Regie-Einfall.
Dennoch darf man aufgrund der richtungsweisenden Regie – im Sinne Shakespeares – erwarten, dass Isabella nach reiflicher Überlegung und aus eigenem Entschluss dem Duke ihr Jawort geben wird. Sie passen einfach allzu gut zueinander.

Nicht unerwähnt bleiben dürfen die Kampfszenen, in denen die Kontrahenten auf Tischen und Stühlen perfekt choreographierte martialische Tänze vorführten.
Auch bei den tänzerischen Vorführungen der Bordellmädchen erkannte man das Coaching erfahrener Sport- oder Tanzlehrer, die es verstanden, durch koordinierte Bewegungen der Tänzerinnen eine harmonische Gesamtchoreographie herzustellen, durch die eine ästhetishe und ironische Distanz zu dem harmlosen Bordellgeschehen hergestellt wurde.

Ein schauspielerisches Talent vom Wirbel bis zur Zehe ist der Whoreman Pompey, Nary Götze, der jede Sekunde seiner Auftritte voll auskostete und dabei sein Amüsement über sich selbst nicht unterdrücken konnte. Er genoss die Rolle und stellte freudvoll mit ironisch-humorvollen Verrenkungen seinen schlanken Leib zur Schau.

Dies alles fand vor einer vergleichsweise kargen Kulisse statt. Ein vergoldeter Tisch und eine Reihe vergoldeter Stühle wurden sowohl von der fürstlichen Schicht verwendet, als auch im Bordell, wo das Gold zu Talmigold mutierte.

Das Musikprogramm gehört zu Shakespeare, und die von Rafael Rodriguez komponierten und begleiteten Lieder wurden von Maria Canzoneri, die auch in einer kontrastreichen Doppelrolle brillierte, und Dominik-Alexius Poppe eindrucksvoll vorgetragen.
Der besondere Reiz lag darin, dass die talentierte Sängerin in ihrer Doppelrolle zwei Seiten einer Welt zeigte und damit eine der wichtigsten Aussagen des Dramas bestätigte: Alles ist wandelbar. Schein ist manchmal Sein - und umgekehrt.
Womit werden Sie uns wohl 2016 überraschen?


Ingeborg Jacobs